Stummfilmtheater
Einerseits ein Panoptikum, in dem 14 Schauspieler und 1 Musiker reden oder nicht reden, singen oder nicht singen, improvisieren oder nicht improvisieren, Theater spielen oder auf Frau Muse, eine der Schutzgoettinen der Kuenste, warten, um sich dann, wenn sie erscheint, ausgiebig von ihr kuessen zu lassen.
Anderseits sehen sie ein modernes Stueck Theater mit Film. Oder umgekehrt. Protagonisten sind: ein bisschen viel Liebe, ein grosses Boot und 14 Arbeitsplaetze. Und – es wird nicht gesprochen. Hoechstens mal gelacht. Dann aber richtig. Ein Stueck und viele Stuecke, ganz im Sinne unserer Schauspieler*innen.
Es spielen:
Clemens Baron, Monika Baumkauf, Gabi Bleeker, Karin Bleeker, Carola Dietrich, Evelyn Theis, Elke Grohmann, Armin Nufer, Robert Porz, Uta Siegert, Willy Smith, Andreas Torke, Michael Wendt
Premiere: 25.01.2008
Pressestimme
Zweidimensionale Liebesgeschichte
Von Marianne Kreikenbom, 28.01.2008
Nach einem guten halben Jahr Probenarbeit war es soweit: Am vergangenen Freitag feierte das Theater Franz der Wiesbadener Lebenshilfe im „thalhaus“ die Premiere seines neuen Stückes „Stumm-Film-Theater“. Inszeniert hat es der Schauspieler Arnim Nufer, der vor einem Jahr die Gruppe übernahm.
Das Theater Franz wurde 2002 für Menschen mit geistiger Behinderung gegründet. So genannte Behindertentheater gibt es inzwischen in unterschiedlichen Formen, Ausrichtungen und Zielsetzungen. Öffentliche Auftritte bedeuten auch eine Gratwanderung zwischen Mitleid und Voyeurismus. Man begegnet beiden am besten, indem man seine Mitspieler als Menschen ernst nimmt. Nufer und das Theater Franz sind dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Stumm-Film-Theater. Die drei Wörter oder Begriffe des Titels leuchten wie Signale auf. Sie lassen sich beliebig zusammensetzen und markieren, worum es geht. Einerseits um die sinnliche Wahrnehmung der Welt, obwohl man – auch als Nichtbehinderter – dieser Wahrnehmung nicht immer einen verbalen Ausdruck geben kann. Andererseits um das Medium Kunst als Mittel und Möglichkeit, mit und ohne Worte etwas darzustellen und auszudrücken. Stumm-Film zum Beispiel oder Stumm-Theater, das man auch als Pantomime bezeichnen kann.
Ein ganzes Orchester bringen die vierzehn Franz-Schauspieler auf die Bühne. Sie spielen Playback mit fiktiven Flöten und Trompeten, aber auch mit skurril verbeulten echten Blasinstrumenten und stummen Gitarren oder Geigen. Ein großartiges Bild. Dass auf der Bühne nicht gesprochen wird, lässt sich allerdings nicht behaupten, denn auf Michael Wendts Frage, was Liebe sei, geben viele eine klare Antwort. Auch das live gesungene „Links a Madl, rechts a Madl“ oder „Nimm mich mit Kapitän auf die Reise“.
Jazzmusiker und Komponist Uwe Olberg ist „der leibhaftige Mann am Flügel und hat alles, was er spielt, auch geschrieben“, wie es im Programm heißt. Höchstes Lob hat er für beides verdient. Seine Musik zum Stumm-Film des Abends passte musikalisch auf den Punkt und begleitete das Geschehen auf der Leinwand virtuos. Der in Schwarz-Weiß-Bildern aufgenommene Film mit Zwischentiteln stammt von Tim Garde aus Mainz und ist ein Kunststück für sich.
In einer Collage aus Stummfilm und Bühnengeschehen entwickelt sich die Handlung einer gewissermaßen zweidimensionalen Liebes- und Arbeitsgeschichte. Film und Theater marschieren getrennt und kommen zum Happy-End im „thalhaus“ zusammen. Die Filmszene, in der Clemens Baron als wunderbar vom Bösen zum Guten gewandelter Fabrikbesitzer das wiedervereinte Liebespaar seiner Firma im Holzboot durch den Nerotal-Park zieht, gefolgt vom jubelnden Orchester seiner Arbeiter, prägt sich ein. „E la nave va“ oder „Das Schiff der Träume“, wie es bei Fellini heißt.
Regie, Manuskript: Armin Nufer
Theaterpaedagogin, Organisation: Christiane Jungkenn
Betreuerin und Assistenz: Donata Kaessner
Bühne/Kostüme, Maske, Fotos: Suse Kuehnhold
Live-Musik und Komposition: Uwe Oberg
Filmemacher: Tim Garde
Plakat, Flyer, Logo: Thomas Nufer
Aus dem erarbeiteten Text:
Der Eine dreht einen Film fuers Theater.
Die Andere schreibt ein Theaterstueck fuer den Film.
Keiner kennt die Andere.
Die Andere kennt Keinen.
Dazu gesellen sich:
Die Schoene, klein aber haesslich.
Die Stumme, flink aber gespraechig.
Die Boese, forsch aber sympathisch.
Der Junge, alt aber erfahren.
Des weiteren:
Der starke Schwaechling,
Der aengstliche Heisssporn,
Der bewegte Sesselfurzer,
Der arme Millionaer,
Der Sammler und Wegwerfer,
Der wilde Muessiggaenger,
Die kraeftige Schlanke,
Die muede Naive, schlapp wie der Blitz.